Lehrveranstaltungen der Arbeitsgruppe Wissenschaftsgeschichte im Sommersemester 2005

Wissenschaftsgeschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit (V, Epple)

Die Sichtbarmachung des Unsichtbaren: Mikroskopie zwischen experimenteller und instrumenteller Praxis vom 17. bis 20. Jahrhundert (S, Epple, Müller)

Kompaktseminar in Riezlern: Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft in der frühen Neuzeit: Historische und theoretische Zugänge (S, Epple, Plumpe, Schefold)

Weltbildwandel, neue Wissenschaft, höfische Kultur und Ketzerei: Galilei im Kontext (Ü, Epple)

Position in der Wissenschaftsgeschichte und -theorie: Ludwik Fleck und Thomas Kuhn (Ü, Schmaltz, Zittel)

Wissenschaftshistorisches Kolloquium (KO, Epple)



Wissenschaftsgeschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit

Prof. Dr. Moritz Epple

Vorlesung, auch Universität des Dritten Lebensalters (Seniorenstudium)
Do 10:00 - 12:00, Raum 1.812, ab 21.4.2005

Inhalt:Die wissenschaftliche Kultur der Antike fand ihre Fortsetzung zunächst weniger im lateinischsprachigen Mittelalter als in der arabisch-islamischen Welt, wo zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert eine bemerkenswerte Blüte der klassischen Wissenschaften zu verzeichnen ist. Von dort aus fanden ab etwa dem 11. Jahrhundert antike, islamische und auch fernöstliche Wissensbestände Eingang in die europäische Tradition, wo sie an Fürstenhöfen und Universitäten studiert und gelehrt wurden. In der sog. Renaissance vollzog sich dann zunächst langsam, im 16. und 17. Jahrhundert jedoch in dramatischer Beschleunigung ein Aufschwung der "neuen Wissenschaften", der bald als wissenschaftliche Revolution gefeiert wurde. Zu ihr gehört nicht nur der Wechsel vom geo- zum heliozentrischen Weltbild, sondern auch die Entstehung neuer wissenschaftlicher Disziplinen (allen voran der Mechanik) und Verfahrensweisen (Experimentalstil). Damit verknüpft waren neue technische Möglichkeiten, und auch die soziale Struktur der Wissenschaften wandelte sich grundlegend. Die in dieser Vorlesung beschriebene Wissensentwicklung bildet eine der wichtigsten Voraussetzungen des Aufstiegs Europas zur Weltmacht.

Empfohlene Literatur: Aus der Vielzahl einschlägiger Publikationen seien die folgenden einführenden Werke genannt:


Die Sichtbarmachung des Unsichtbaren: Mikroskopie zwischen experimenteller und instrumenteller Praxis vom 17. bis 20. Jahrhundert

Prof. Dr. Moritz Epple, Dr. Falk Müller

Seminar
Di 14:00 - 16:00, Raum 4.401, ab 12.4.2005

Inhalt: Die Mikroskopie gehört seit den Anfängen der neuzeitlichen Naturwissenschaft zu jenen instrumentellen Techniken, durch die immer neue Welten von Forschungsgegenständen unterhalb der Schwelle der direkten Wahrnehmung erschlossen wurden. Am Ende des 19. Jahrhunderts und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhundert sorgte dann eine Reihe von neuentdeckten "Strahlen" für eine Transformation unserer Ansichten über die Struktur der Materie. Ermöglichten die Röntgenstrahlen völlig neue Einblicke in den Aufbau organischer Körper, so hatte die Erforschung der Radioaktivität und der Einsatz von Elektronenstrahlen als Instrumente einer neuen mikroskopischen Praxis eine teilweise radikale Umstrukturierung unseres Wissens über den Aufbau der Welt zur Folge; die Grenzen zwischen dem Sichtbaren und Unsichtbaren oder dem Bekannten und Unbekannten wurden auf fast allen Ebenen erneut massiv in Frage gestellt. Die Geschichte der Mikroskopie soll uns als Beispiel dienen, anhand dessen sich generelle Fragen über den Status visueller Praktiken in der wissenschaftlichen Forschung untersuchen lassen: Was sieht man? Wie lässt das Gesehene sich deuten? Warum sollte man einem durch Instrumente vermittelten Wissen trauen? Wie entsteht in einem geschickten Zusammenspiel von Forschungsinstrumenten, experimentellen Praktiken, Präparationstechniken sowie theoretischen Spekulationen und Modellbildungen ein wissenschaftlicher Gegenstand?

Empfohlene Literatur:


Kompaktseminar in Riezlern: Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft in der frühen Neuzeit: Historische und theoretische Zugänge

Prof. Dr. Moritz Epple, Prof. Dr. Werner Plumpe, Prof. Dr. Dr. Bertram Schefold

Seminar
Blockveranstaltung 18.6.2005 - 25.6.2005

Inhalt: Der Zusammenhang von Wissenschaft und wirtschaftlichem Leben der Gesellschaft ist im 20. Jahrhundert immer wieder Gegenstand sowohl wissenschaftshistorischer Untersuchung als auch ökonomischer Theoriebildung gewesen. Als für diese Thematik zentraler Zeitraum stellte sich dabei die frühe Neuzeit heraus, also die Zeit vom 16. Jahrhundert bis ins 18. Jahrhundert. In diesem Zeitraum wurden einerseits zentrale naturwissenschaftliche und ökonomische Konzepte und Methodiken neu ausgearbeitet, deren Bezügen nachgegangen werden kann (nicht selten reichen diese Bezüge direkt in die Biographien von Schlüsselfiguren hinein, etwa im Fall von Kopernikus und Newton, die im Münzwesen ihrer Zeit eine wichtige Rolle spielten), andererseits stellt sich die Frage, ob der Aufstieg der ökonomischen Formation des Kapitalismus selbst in einer substantiellen Beziehung zum Aufstieg der neuzeitlichen Naturwissenschaften steht. Das Seminar will diesen Fragen durch die Diskussion ökonomischer und naturwissenschaftlicher Quellentexte sowie durch die Auseinandersetzung mit wichtigen wissenschaftshistorischen und ökonomischen Interpretationen des angedeuteten Zusammenhangs aus dem 20. Jahrhundert nachgehen.

Empfohlene Literatur:


Weltbildwandel, neue Wissenschaft, höfische Kultur und Ketzerei: Galilei im Kontext

Prof. Dr. Moritz Epple

Übung
Do 14:00 - 16:00, Raum IG 3.501, ab 14.4.2005

Inhalt:Galileo Galilei war schon zu Lebzeiten eine der umstrittensten Persönlichkeiten der Kultur seiner Zeit. Seine Schriften und seine Karriere markieren in mehr als einer Hinsicht einen Moment des Übergangs von älteren Wissenstraditionen in die Wissenskultur der Neuzeit. Schon auf rein literarischer Ebene wird dies deutlich, wenn Galilei in seinen Hauptwerken den 'Aristoteliker' Simplicius mit den Zeitgenossen Sagredo und Salviati diskutieren lässt. In der Übung sollen Ausschnitte aus Galileis Texten (neben dem "Dialog über die beiden hauptsächlichen Weltsysteme" von 1632 sollen dabei auch kleinere Werke wie der "Sternenbote" von 1610 und "Der Goldwäger" von 1623 herangezogen werden, die für Galileis Laufbahn entscheidend waren) mit naturphilosophischen Texten des Mittelalters sowie mit gleichzeitigen wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Texten konfrontiert werden, um so den Wandel, der sich in Galileis Zeit vollzieht, fassbar zu machen. Die Quellenlektüre kann sich dabei auch auf eine breite neuere Sekundärliteratur stützen, die diese Themen in vieler Hinsicht gut ausgeleucht hat. Die Übung bietet die Möglichkeit, sich mit italienischen, französischen, englischen und lateinischen Texten zu beschäftigen; es werden jedoch stets auch Übersetzungen parallel herangezogen.

Empfohlene Literatur:


Position in der Wissenschaftsgeschichte und -theorie: Ludwik Fleck und Thomas Kuhn

Dr. Florain Schmaltz, Dr. Claus Zittel

Übung
jeden 14. Tag 10:00 - 13:00, Raum IG 4.401, ab 18.4.2005

Inhalt:Der Mediziner und Mikrobiologe Ludwik Fleck und der Physiker und Wissenschaftshistoriker Thomas Kuhn zählen beide zu den bedeutendsten Autoren der Wissenschaftstheorie und Wissenschaftshistoriographie des 20. Jahrhunderts. Kuhn prägte den Begriff des Paradigmenwechsels, um die Revolutionen in der Geschichte der Wissenschaft zu erklären. Die Rezeption des 1935 erschienen Hauptwerkes von Flecks, auf das sich Kuhn unter anderem berief, geriet unter den Bedingungen der NS-Herrschaft in Vergessenheit. Als Jude verfolgt, überlebte Fleck nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen die Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald, in denen er als Häftlingsarzt seine Forschungen über Fleckfieber fortsetzte. Erst Anfang der 1980iger Jahre wurden seine Schriften nach der Etablierung von Thomas Kuhns Wissenschaftstheorie wiederentdeckt und neuediert. Seither erlebt sein Werk, in dem er auch seine praktischen Erfahrungen als Forscher verarbeitete, eine starke Renaissance, die sich als breite Rezeption quer durch die Disziplinen der Geschichte, Philosophie, Wissenschaftsgeschichte, Kunstgeschichte und Kulturtheorie manifestiert. Offenbar sind Flecks Theoreme vom Denkstil, dem Denkkollektiv, mit denen er die Wissenschaft als wesentlich in kulturelle Kontexte eingebettet beschreibt, nicht nur in hohem Maße anschlussfähig an zahlreiche aktuelle Diskussionen in science studies, Philosophie und Kulturtheorie, sondern liefern auch brauchbare methodische Modelle für die historiographische Arbeit. In diesem Seminar soll die Lektüre zentraler Schriften, z.T. in englischer Sprache, von Ludwik Fleck und Thomas Kuhn im Zentrum stehen. Die Sitzungen sollen jeweils durch ein Kurzreferat zum ausgewählten Text vorbereitet werden. Scheine können durch das Abfassen einer Hausarbeit plus eines Protokolls oder Referats erworben werden.

Empfohlene Literatur:


Wissenschaftshistorisches Kolloquium

Prof. Dr. Moritz Epple

Kolloquium
Di 18:00 - 20:00, Raum IG 3.501, ab 19.4.2005

Inhalt:Es werden zum einen laufende Examens- und Doktorarbeiten vorgestellt, zum anderen neuere wissenschaftshistorische Publikationen gemeinsam diskutiert. Teilnehmerinnen und Teilnehmer (auch aus angrenzenden Gebieten) sind nach Rücksprache mit dem Veranstalter herzlich willkommen.

Programm



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zuletzt geändert am 17.3.2005, jd