DFG-Projekt: Angewandte Wissenschaft im Dienst des Staates: Eine Geschichte der angewandten Entomologie im Nationalsozialismus


Projektmitarbeiter

Nelli Kisser M.A., Prof. Dr. Moritz Epple


Kurzbeschreibung

Das Anliegen des Forschungsvorhaben ist eine Untersuchung der angewandten Entomologie in Deutschland während des Nationalsozialismus und in der unmittelbaren Nachkriegszeit.

Dabei soll insbesondere gezeigt werden, in welchen Formen diese praktisch ausgerichtete Teildisziplin der Biologie, die sich in Deutschland vom Ersten Weltkrieg bis in die späten 1920er Jahre akademisch konsolidiert hatte, im nationalsozialistischen Staat und im Zweiten Weltkrieg erhöhte wissenschaftliche, öffentliche, politische und militärische Aufmerksamkeit und Förderung erfahren hat, und welche institutionellen, personellen und epistemischen Verschränkungen zwischen der Entomologie und dem Staat bestanden. Hierfür werden (a) die führenden institutionellen Einrichtungen der angewandten Entomologie im nationalsozialistischen Staat untersucht, insbesondere das Deutsche Entomologische Institut und die Entomologischen Abteilungen der Biologischen Reichsanstalt und des Hamburger Tropeninstituts. Angesichts der wachsenden militärischen Bedeutung der Entomologie (u.a. für die Eindämmung von Krankheiten wie Fleckfieber oder Malaria) sind des Weiteren auch die auf Kriegszwecke ausgerichteten entomologischen Einrichtungen zu untersuchen, so das Entomologische Institut an der Reichsuniversität Posen, die Malaria-Lehrtrupps der Militärärztlichen Akademie und das Entomologische Institut im KZ Dachau. Die Untersuchung gilt ferner (b) den zentralen wissenschaftlichen Akteuren des Feldes, namentlich den Karrieren von Karl Escherich, Erich Martini und Karl Friederichs. Schließlich soll (c) eine Untersuchung der über das Fach hinaus an verschiedene Öffentlichkeiten gerichteten programmatischen Diskurse der Entomologie zeigen, ob und inwiefern sich die fachlichen Anliegen der angewandten Entomologen mit den ideologischen und politischen Anliegen des Nationalsozialismus verflochten.

Auf allen drei Untersuchungsebenen soll verfolgt werden, wie der während des Ersten Weltkriegs und in der Weimarer Republik vor allem auf eine chemische Bekämpfung von als Schädlinge ausgewiesenen Insekten ausgerichteten angewandten Entomologie ab den späten 1920er Jahren und noch verstärkt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs das Programm einer auf biologische Methoden ausgerichteten angewandten Entomologie und einer „biologischen Schädlingsbekämpfung“ gegenübergestellt wurde, und wie die Entwicklung der angewandten Entomologie im Nationalsozialismus durch diese Methodenkonkurrenz geprägt wurde. Da die „biologische“ Methode in enger Anlehnung an die noch junge Ökologie und ihr Vokabular artikuliert wurde, und insbesondere der Entomologe Karl Friedrichs heute zu den ersten frühen Ökologen in Deutschland gezählt wird, leistet das Forschungsvorhaben auch einen wichtigen Beitrag zu einer Frühgeschichte der Ökologie in Deutschland über die Schwelle 1945 hinaus.

Abstract

The purpose of the proposed research project is an examination of the field of economic entomology in Germany during the Nazi state and the immediate post-war years. The aim of the research project is twofold: first, it aims at demonstrating how this practically oriented branch of biology, which was academically established in Germany from World War I until the late 1920s, gained scientific, public, political and military attention and support during Nazi rule and World War II. Second, the project intends to examine which epistemic institutional and personal entanglements are to be found between entomology and the Nazi state.

For this purpose (a), the main institutions of economic entomology in the NS-state will be explored, especially the Deutsches Entomologisches Institut and the entomology departments of the Biologische Reichsanstalt and the Hamburger Tropeninstitut. Given the growing military relevance of entomology (e.g. the control of diseases as typhus or malaria), the research project will also closely explore entomologic institutions which were oriented towards war purposes, such as the entomological institute at the Reichsuniversiät Posen, the malaria training forces of the Militärärztliche Akademie and the entomological institute at the concentration camp in Dachau.

The examination further aims (b) at the pivotal scientific agents in the field, namely the careers of Karl Escherich, Erich Martini und Karl Friederichs. Finally (c), the exploration of entomologists’ programmatic discourses that were addressed to the public should reveal answers to the question if and how these programmatic aims were interconnected with ideological and political goals of the National Socialists.

The research project is guided by the overall question, how the chemically oriented pest control-practice of economic entomology that was developed during World War I and Weimar Republic was confronted with the program of biological control in economic entomology, which emerged in the early 1930s and which gained relevance in World War II. The project further examines the question how the development of economic entomology in the Nazi regime was shaped by this rivalry of methods. Since the method of biological control was developed in close connection to the young discipline of ecology and its vocabulary, and since the entomologist Karl Friederichs today is known as one of the first ecologists in Germany, this project also contributes to an early history of ecology in Germany and beyond the verge of 1945.

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zuletzt geändert am 19.11.2020, jd