Epistemische Konfigurationen mathematischer Forschung


Mitarbeiter

Prof. Dr. Moritz Epple

Schlüsselpublikationen

Moritz Epple, Genies, Ideen, Institutionen, mathematische Werkstätten. Formen der Mathematikgeschichte, in: Mathematische Semesterberichte 47 (2000), S. 131-163.

Moritz Epple, Knot invariants in Vienna and Princeton during the 1920s. Epistemic configurations of mathematical research, in: Science in Context 17 (2004), S. 131-164.

Kurzbeschreibung

Die ältere, disziplinnahe Historiographie der Mathematik neigt ebenso wie manche philosophische Beschreibungen der Mathematik dazu, die Entwicklung der Mathematik als das allmähliche Wachstum eines Korpus abstrakten Wissens darzustellen, das, einmal präzise gefasst und bewiesen, universelle und zeitlose Gültigkeit besitzt. Demgegenüber möchte dieses langfristige Vorhaben an einzelnen historischen Episoden mathematischer Forschung nachweisen, dass die Produktion und Verwendung mathematischen Wissens auch in anderer Perspektive aufschlussreich beschrieben werden kann, nämlich als epistemische Praxis, als intellektuelles Handeln, in dem mit spezifischen Techniken an mathematischen (Forschungs-)Gegenständen gearbeitet wird.

In dieser Perspektive erscheinen die Produktion und die Verwendung mathematischen Wissens als offene, an spezifische, räumlich und zeitlich lokale Umstände geknüpfte und mit einer Vielfalt anderer wissenschaftlicher, kultureller und sozialer Handlungsfelder verflochtene Prozesse. Es wird erkennbar, dass selbst die Genese abstrakten mathematischen Wissens sich nicht nur disziplineigenen, sondern auch weiteren wissenschaftlichen, kulturellen, technologischen, ökonomischen, politischen und sozialen Ressourcen verdankt. Ebenso wird deutlich, wie mathematisches Wissen in spezifischen historischen Zusammenhängen in andere Wissens- und Handlungsbereiche eingeht.

Historiographisch erfordert ein solcher Zugang die Entwicklung von Kategorien, die geeignet sind, lokale Verläufe von Forschungsprozessen ohne disziplinäre Einengung des Blicks, aber auch ohne philosophische oder soziologische Reduktionismen nachzuzeichnen.

Ein erstes Ergebnis dieser Bemühungen bildete die Monographie

Die Entstehung der Knotentheorie. Kontexte und Konstruktionen einer modernen mathematischen Theorie, Wiesbaden, Vieweg Verlag 1999

Hier wurde die Entstehung eines mathematischen Wissensgebietes vom 18. bis ins 20. Jahrhundert verfolgt und dabei detailliert untersucht, wie sich Kontexte, epistemische Konfigurationen und leitende Rationalitätsmuster mathematischen Forschungshandelns in diesem Gebiet veränderten. Während für das 19. Jahrhundert vor allem enge Beziehungen zur Physik und zur Kultur des viktorianischen Großbritannien prägend waren, zählten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts philosophische und mathematische Avantgardismen sowie eine fortschreitende Professionalisierung zu den charakteristischen Rahmenbedingungen des Arbeitens an der modernen mathematischen Theorie der Knoten.

Derzeit wird in der skizzierten methodischen Orientierung (die in den oben genannten Publikationen programmatisch erläutert wird) u.a. die mathematische Rüstungsforschung in den beiden Weltkriegen sowie die mathematische Hydro- und Aerodynamik vom 18. bis ins 20. Jahrhundert untersucht.

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zuletzt geändert am 21.1.2005, me