Lehrveranstaltungen der Arbeitsgruppe Wissenschaftsgeschichte
Wintersemester 2013/2014


Wissenschaft im Zeitalter der Extreme (Vorlesung)

Wissenschaft in antiken Kulturen (Vorlesung)

Zur Geschichte des Begriffs "Rasse" in den Wissenschaften (Seminar)

Experten in pharaonischen Ägypten (Seminar)

Die Ordnung des Lebendigen: Naturgeschichte im 18. Jahrhundert (Übung)

Uruk-Metropole und kulturelles Zentrum der altorientalischen Welt (Übung)

Einführung in die neuere Geschichte: Das atomare Zeitalter (Proseminar)

Wissenschaftshistorisches Kolloquium




Wissenschaft im Zeitalter der Extreme

Prof. Dr. Moritz Epple

Vorlesung

Di 14:00-16:00, HZ 9, ab 22.10.2013

Inhalt: Der Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert war in vielen Wissenschaften mit tiefgreifenden Umbrüchen verbunden, die auch die Gegenstände und Perspektiven der Forschung, ja das Wissenschaftsverständnis insgesamt veränderten. In der Physik änderte sich durch Relativitätstheorie und Quantenmechanik, aber auch durch eine neue Experimentalkultur das grundlegende Bild des Kosmos, die Biologie machte sich an das Verständnis von zellulären und schließlich auch subzellulären Vorgängen bis hin zur Genetik, die Mathematik entwarf eine Vielzahl neuer, abstrakter Methoden, die innerhalb und außerhalb dieser Wissenschaft Verwendung fanden. Zugleich wurden manche Bereiche der Technik Gegenstand neuer Ingenieurwissenschaften wie z.B. der Aerodynamik. Durch die wachsende technologische Bedeutung gewannen wissenschaftliche Entwicklungen – nicht zuletzt in den beiden Weltkriegen, aber auch durch wissenschaftsgestützten Technologien der jüngsten Vergangenheit – ungeahnte gesellschaftliche Relevanz. Die Vorlesung gibt eine Einführung in einige Hauptlinien dieser Entwicklung und zugleich in einige aktuelle theoretische Positionen einer Geschichte der Naturwissenschaften im „Zeitalter der Extreme“.

Einführende Literatur:
* Krige, John und Pestre, Dominique (Hg.), Science in the Twentieth Century, Amsterdam 1997
* The Cambridge History of Science. Cambridge 2002 - ; hier Bd. 5, The Modern Physical and Mathematical Sciences, hg. von Mary Jo Nye, Cambridge 2002
* Kragh, Helge, Quantum Generations. A History of Physics in the 20th Century, Princeton 2002
* Latour, Bruno und Woolgar, Steve, Laboratory Life. The Social Construction of Scientfic Facts, Los Angeles 1979
* Fox Keller, Evelyn, The Century of the Gene, Cambridge, Mass. 2000
* Rheinberger, Hans-Jörg, Experimentalsysteme und epistemische Dinge. Eine Geschichte der Proteinsynthese im Reagenzglas, Göttingen 2001
* Rheinberger, Hans-Jörg und Müller-Wille, Staffan, Vererbung. Geschichte und Kultur eines biologischen Konzeptes, Frankfurt am Main 2009



Wissenschaft in antiken Kulturen

Prof. Dr. Annette Warner

Vorlesung

Do 16:00-18:00, HZ 3, ab 24.10.2013

Inhalt: In allen größeren antiken Kulturen entwickelten sich - z.T. lange vor unserer Zeitrechnung - komplexe Wissens- und Expertensysteme, in denen heilkundliches Wissen gesammelt, die Vorgänge der irdischen und himmlischen Natur gedeutet, und rechnerisch-administrative Verfahren entwickelt wurden. Früheste schriftliche Quellen dieser Entwicklungen liegen aus den Kulturen Ägyptens und Mesopotamiens vor, in denen (unabhängig voneinander) um ca. 3000 v. Chr. das Instrument der Schrift erfunden wurde.
Die klassische griechische Periode zeichnet sich dadurch aus, dass in ihr gleichzeitig mit dem Aufblühen neuer Wissenschaftszweige in Mathematik, Kosmologie, Zoologie usw. ein Methodenideal der Wissenschaften explizit formuliert wurde. Die Großreiche des Hellenismus und der Spätantike wiederum erlebten eine höchst folgenreiche Verflechtung der verschiedenen antiken Wissenstraditionen, deren Einzelheiten z.T. immer noch Gegenstand der Forschung sind.
Die Vorlesung, die sich an Studierende aller Fächer, insbesondere aber der Geschichte und der Philosophie wendet, gibt sowohl eine Einführung in die wichtigsten Aspekte dieser Entwicklung als auch in die Methoden einer modernen Historiographie der antiken Wissenschaften. Dabei liegen Schwerpunkte u.a. auf der Anerkennung und Rekonstruktion antiker wissenschaftlicher Konzepte (die sich von ‚entsprechenden' modernen Konzepten signifikant unterscheiden können) und auf den vorliegenden Arten von Quellen und ihrer Interpretation.
Die Vorlesung bildet den ersten Teil eines auf vier Semester geplanten Kurses in Wissenschaftsgeschichte, kann aber auch unabhängig besucht werden.

Einführende Literatur:
* Lindberg, D. C., Die Anfänge des abendländischen Wissens, München 2000
* Lloyd, G.E.R., Magic, Reason and Experience. Studies in the Origins and Development of Greek Science, Cambridge 1999
* Serres, M. (Hg.), Elemente einer Geschichte der Wissenschaften, Frankfurt am Main 1998



Zur Geschichte des Begriffs "Rasse" in den Wissenschaften

Prof. Dr. Moritz Epple, Dr. des. Fabian Link

Seminar

Do 10:00-12:00, IG 4.401, ab 17.10.2013

Inhalt:Das Seminar behandelt die breite und vielfältige Verwendung des Rassebegriffs in den Wissenschaften des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. In verschiedenen Wissensgebieten zirkulierte der Begriff als Ordnungsinstrument und wurde von Wissenschaftlern verwendet, um Menschengruppen zu kategorisieren. Der Rassebegriff ist dabei seinen Bedeutungen vielfältig. Er umfasste sowohl biologische und „biologistische“ Bedeutungen, er konnte in den Geisteswissenschaften aber auch mit einem Bestreben nach einer wissenschaftlich verbürgten, meist aristokratisch gefärbten Genealogie des eigenen „Volkes“ verbunden sein.
Für Naturforscher und Philosophen wie Johann Friedrich Blumenbach, Immanuel Kant, Georges Cuvier oder Lous Agassiz war der Rassenbegriff deshalb zentral, weil sie ihn für eine Herleitung des Zivilisationsgefüges, wie sie es sahen, verwenden konnten. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde der Rassenbegriff in die Vererbungslehre eingeführt und trat auch dort als ontologische Kategorie auf, die eine „rassische“ Hierarchisierung der Menschengruppen auf der Welt festsetzte. Diese Ideen leisteten nicht zuletzt Autoren wie Arthur de Gobineau oder Houston Stewart Chamberlain Vorschub.
Im Seminar werden die epistemischen Funktionen des Rassenbegriffs in unterschiedlichen Natur-, Human- und Geisteswissenschaften ins Blickfeld genommen. Nicht nur in der naturwissenschaftlichen Anthropologie, der frühen Evolutionsbiologie und der Völkerkunde war der Begriff der „Rasse“ zentral, er spielte auch in der vor- und frühgeschichtlichen Archäologie, der Orientalistik und den Sprachwissenschaften eine bedeutende Rolle. Das Seminar wird die Zeit von etwa 1800 bis zur Weimarer Republik abdecken, als die Eugenik und die Rassenhygiene an Boden gewannen. (Die Zeit des NS-Regimes und die darauf folgenden Jahre werden in diesem Seminar nicht behandelt.)

Einführende Literatur:
* Eze, Emmanuel Chukwudi, Race and the Enlightenment. A Reader, Oxford 1997
* Laukötter, Anja, Von der “Kultur” zur „Rasse“ – vom Objekt zum Körper. Völkerkundemuseen und ihre Wissenschaften zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Bielefeld 2007
* Marchand, Suzanne, German Orientalism in the Age of Empire. Religion, Race, and Scholarship, New York 2009
* Mosse, George L., Die Geschichte des Rassismus in Europa, Frankfurt am Main 1990
* Staum, Martin, Labeling People. French scholars on Society, Race and Empire, 1815-1848, Quebec 2003
* Weingart, Peter/Kroll, Jürgen/ Bayertz, Kurt, Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und der Rassenhygiene in Deutschland, Frankfurt am Main 1992



Experten in pharaonischen Ägypten

Prof. Dr. Annette Warner

Seminar

Do 14:00-16:00, IG 4.401, ab 25.10.2012

Inhalt: Unser Wissen über das pharaonische Ägypten beruht ganz wesentlich auf den Texten, die von den damaligen Experten (äg. Schreibern), d.h. Personen, die in entweder in der Administration für den ägyptischen König oder an einem Tempel tätig waren, erhalten sind. Diese Texte liefern zum Teil detaillierte Einblicke in die Welt derjenigen, die sie produziert haben, ihr Wissen, ihre Arbeit, ihr kulturelles und soziales Umfeld.
Ziel des Seminares ist es anhand einer breiten Auswahl von altägyptischen Texten (die in deutscher oder englischer Übersetzung vorliegen) einen Einblick in die Welt der altägyptischen Schreiber zu bekommen, von ihrer Ausbildung über ihren Berufsalltag bis hin zu ihren Idealen und ihrer Selbstdarstellung. Die Quellen, die aus unterschiedlichen Zeiten der pharaonischen Geschichte stammen, werden in chronologischer Reihenfolge behandelt; zu Beginn wird jeweils eine kurze Einführung in die Geschichte der jeweiligen Zeit gegeben.
Es wird vorausgesetzt, dass die Teilnehmer des Seminars die für die jeweiligen Stunden anstehenden Quellen gelesen und entsprechend vorbereitet haben. Von jedem Teilnehmer ist zu einem Thema ein Referat zu halten; die Themenvergabe erfolgt in der ersten Stunde.

Einführende Literatur:
* Brunner, H., Altägyptische Erziehung, Wiesbaden 1991
* Fischer-Elfert, H.-W., Die Satirische Streitschrift des Papyrus Anastasi I. Übersetzung und Kommentar, Wiesbaden 1986
* Adelheid Schlott, Schrift und Schreiber im Alten Ägypten, München 1989
* Shaw, I., The Oxford History of Ancient Egypt, Oxford 2000
* Strudwick, N., Texts from the Pyramid Age, Atlanta 2005
* Wilkinson, T. (Hg.), The Egyptian World, New York 2007



Die Ordnung des Lebendigen: Naturgeschichte im 18. Jahrhundert

Prof. Dr. Moritz Epple

Übung

Do 14:00-16:00, IG 4.401, ab 17.10.2013

Inhalt: Die Übung führt anhand der Lektüre von Auszügen aus klassischen Werken von Carl v. Linné und Georges Buffon in die Naturgeschichte des 18. Jahrhunderts ein. Damit ist ein breites Wissensfeld bezeichnet, das insbesondere das Wissen vom Lebendigen ordnen sollte, und das in der Wissenskultur der Aufklärung den mathematisch orientierten Naturwissenschaften gegenüberstand. Anhand ausgewählter Sekundärliteratur sollen außerdem einige der grundlegenden Strukturen und Auseinandersetzungen um dieses Wissensfeld beleuchtet werden. Diese betreffen einerseits das in der Naturgeschichte verfolgte Wissenschaftsideal, andererseits ihre Verankerung im System der europäischen Kolonisierung der Erde.

Einführende Literatur:
* Linné, Carl v., Philosophica botanica, 1749, engl. Übersetzung von Stephen Freer, Oxford 2003
* Buffon, Georges, Erste Abhandlung, in: ders., Allgemeine Naturgeschichte, Bd. 1, dt. Übers. Berlin 1771, digitalisiert auf: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/buffon1771bd1/
* Lepenies, Wolf, Das Ende der Naturgeschichte. Wandel kultureller Selbstverständlichkeiten in den Wissenschaften des 18. und 19. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1978
* Foucault, Michel, Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, dt. Übers. Frankfurt am Main 1971 u.ö.
* Schiebinger, Londa und Swan, Claudia, Colonial Botany. Science, Commerce, and Politics in the Early Modern World, Philadelphia 2004.



Uruk-Metropole und kulturelles Zentrum der altorientalischen Welt

Dr. Daliah Bawanypeck

Übung 

Mi 14:00-16:00, IG 4.501, ab 16.10.2013

Inhalt: Die südmesopotamische Stadt Uruk ist die älteste bekannte Metropole der Welt. Bereits gegen Ende des 4. Jt. entwickelte sich die Siedlung zu einer Großstadt in der wichtige kulturelle Errungenschaften anzutreffen waren, zu deren bedeutendsten die Erfindung der (Keil)Schrift gehört. Die Tontafeln aus dieser Zeit enthalten überwiegend Aufzeichnungen aus dem Bereich der komplexen Wirtschaftsverwaltung. Daneben gibt es aber auch Listen von Begriffen und Gegenständen, die immer weiter tradiert wurden und die Basis mesopotamischer Gelehrsamkeit und Expertenwissens darstellen. Repräsentative Monumentalbauten und Steinskulptur bezeugen die hohe Entwicklung von Architektur und Kunst. Als Stadt des legendären Königs Gilgamesch, dessen Taten durch das Gilgamesch-Epos - einer der ältesten schriftlichen Dichtungen - überliefert sind, repräsentiert Uruk die städtische Zivilisation Sumers. Die Ausstrahlung Uruks auf den altorientalischen Raum zeigt sich auch darin, dass die Stadt über ihre Blütezeit als Wirtschafts- und Verwaltungszentrum hinaus bis in die Seleukidenzeit ein kulturelles und religiöses Zentrum von überregionaler Bedeutung blieb.
Ziel der Übung ist es anhand keilschriftlicher Quellentexte (die in deutscher oder englischer Übersetzung gelesen werden) einen Einblick in die Bedeutung der Stadt als Zentrum von Wissen und Gelehrsamkeit zu geben. Zu Beginn der Übung wird die Betrachtung der Voraussetzungen der Keilschrifterfindung und ihrer Entwicklung im Mittelpunkt stehen.



Einführung in die neuere Geschichte: Das atomare Zeitalter

Dr. des. Fabian Link

Proseminar

Mi, 9:00 - 12:00, IG 4.401

Inhalt:Als 1938 den Chemikern Otto Hahn und Fritz Straßmann die induzierte Kernspaltung des Uranatoms gelang, konnten sie nicht absehen, dass dieses Ereignis in der Retrospektive das „atomare Zeitalter“ einläuten würde. Erst die Abwürfe der beiden Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki lösten auch unter Wissenschaftlern und Intellektuellen das Bewusstsein aus, dass eine neue Epoche angebrochen war – eine Epoche der Hochtechnologie und Hochrüstung, die von den einen frenetisch begrüßt, von den anderen als der Anfang vom Ende der Menschheit gesehen wurde. Die Nukleartechnik und das damit im Zusammenhang stehende Wettrüsten der beiden Supermächte Vereinigte Staaten und UdSSR bildeten nach 1945 die Voraussetzungen für den Kalten Krieg. Zugleich formierte sich in dieser Zeit eine breite Widerstandsbewegung gegen die Atomtechnik, die nicht nur deren militärische Verwendung kritisierte, sondern auch den wirtschaftlichen Einsatz der Atomtechnik angriff, so die Produktion von Kernenergie. Die Angst vor der nuklearen Bedrohung, die sich im Laufe des Kalten Krieges ins kulturelle Weltgedächtnis einschrieb, ist heute keineswegs verschwunden, wie die Katastrophe von Fukushima 2011 gezeigt hat. In diesem Proseminar werden maßgebende Sekundärtexte und Quellen zum Zusammenhang zwischen Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft im atomaren Zeitalter behandelt. Vermittelt werden die wichtigsten Methoden und theoretischen Ansätze der neueren Wissenschafts- und Technikgeschichte sowie der Zeitgeschichte. Erwartet werden regelmäßige Teilnahme, aktive mündliche Mitarbeit, die Bereitschaft zum Erstellen von Referaten und kleineren Hausarbeiten sowie einer größeren Hausarbeit zum Schluss des Semesters.

Literatur:
* Bernd Greiner/Christian Thomas Müller/Dierk Walter (Hg.), Angst im Kalten (= Studien zum Kalten Krieg 3). Hamburg 2009
* David Holloway, Nuclear weapons and the escalation of the Cold War, 1945-1962, in: Melvyn P. Leffler/Odd Arne Westad (Hg.), The Cambridge History of the Cold War, Bd. 1: Origins. Cambridge 2010, S. 376-397.
* Bernd Stöver, Der Kalte Krieg. Geschichte eines radikalen Zeitalters. München 2011.
* Mark Walker, Die Uranmaschine. Mythos und Wirklichkeit der deutschen Atombombe. Berlin 1990.


Wissenschaftshistorisches Kolloquium

Prof. Dr. Moritz Epple, Prof. Annette Warner

Kolloquium

Di 18:00 - 20:00, Raum IG 1.414, ab 22.10.2013

Inhalt: Es werden zum Einen laufende Examens- und Doktorarbeiten vorgestellt, zum Anderen neuere wissenschaftshistorische Publikationen gemeinsam diskutiert. Teilnehmerinnen und Teilnehmer (auch aus angrenzenden Gebieten) sind nach Rücksprache mit dem Veranstalter herzlich willkommen.

Zu den Vortragsveranstaltungen mit auswärtigen Gästen sind alle Interessierten herzlich eingeladen. Das laufende Programm des Kolloquiums finden Sie im Internet unter www.uni-frankfurt.de/fb08/HS/wg/ über den entsprechenden Link unter "Aktuelles".

Programm



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zuletzt geändert am 4.11.2013, jd