Die
Wissenschaft im Zeitalter der Extreme (Vorlesung)
Einführung
in die historische Epistemologie (Seminar)
Expertentexte
aus Assur (Übung)
Divinatorische
Praktiken in mittelalterlichen arabischen und lateinischen Quellen
(Übung)
Isaiah
Berlin und die Geschichte der Ideengeschichte im Kalten Krieg
(Übung)
Einführung
in das Studium der neueren Geschichte: Kultur, Wissenschaft und
Weltanschauung
unter Hitler und Mussolini (Proseminar)
Wissenschaftshistorisches
Kolloquium
Prof. Dr. Moritz Epple
Vorlesung
Di 14:00-16:00, Cas 1.811, ab 20.10.2014
Inhalt: Der Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert war in vielen Wissenschaften mit tiefgreifenden Umbrüchen verbunden, die auch die Gegenstände und Perspektiven der Forschung, ja das Wissenschaftsverständnis insgesamt veränderten. In der Physik änderte sich durch Relativitätstheorie und Quantenmechanik, aber auch durch eine neue Experimentalkultur das grundlegende Bild des Kosmos, die Biologie machte sich an das Verständnis von zellulären und schließlich auch subzellulären Vorgängen bis hin zur Genetik, die Mathematik entwarf eine Vielzahl neuer, abstrakter Methoden, die innerhalb und außerhalb dieser Wissenschaft Verwendung fanden. Zugleich wurden manche Bereiche der Technik Gegenstand neuer Ingenieurwissenschaften wie z.B. der Aerodynamik. Durch die wachsende technologische Bedeutung gewannen wissenschaftliche Entwicklungen – nicht zuletzt in den beiden Weltkriegen, aber auch durch wissenschaftsgestützten Technologien der jüngsten Vergangenheit – ungeahnte gesellschaftliche Relevanz. Die Vorlesung gibt eine Einführung in einige Hauptlinien dieser Entwicklung und zugleich in einige aktuelle theoretische Positionen einer Geschichte der Naturwissenschaften im „Zeitalter der Extreme“.
Einführende
Literatur:
* Krige, John und Pestre,
Dominique (Hg.), Science in the Twentieth
Century, Amsterdam 1997
* The Cambridge History of Science. Cambridge 2002 - ; hier Bd. 5, The
Modern Physical and Mathematical Sciences, hg. von Mary Jo Nye,
Cambridge 2002
* Kragh, Helge, Quantum Generations. A History of Physics in the 20th
Century, Princeton 2002
* Latour, Bruno und Woolgar, Steve, Laboratory Life. The Social
Construction of Scientfic Facts, Los Angeles 1979
* Fox Keller, Evelyn, The Century of the Gene, Cambridge, Mass. 2000
* Rheinberger, Hans-Jörg, Experimentalsysteme und epistemische
Dinge. Eine Geschichte der Proteinsynthese im Reagenzglas,
Göttingen 2001
* Rheinberger, Hans-Jörg und Müller-Wille, Staffan,
Vererbung. Geschichte und Kultur eines biologischen Konzeptes,
Frankfurt am Main 2009
Prof. Dr. Moritz Epple
Seminar
Do 10:00-12:00, IG 4.401, ab 15.10.2015
Inhalt:
Das Seminar führt in die historische Analyse der
wissenschaftlichen Erkenntnispraxis ein, die seit einiger Zeit unter
dem Titel der historischen Epistemologie zusammengefasst wird. Die
historische Epistemologie geht davon aus, dass sich nicht nur die
Inhalte, sondern auch die Verfahren, Formen und Konzepte
wissenschaftlichen Erkennens historisch verändern, und sie
entwickelt methodische Instrumente zur Analyse dieser Variationen. Im
Seminar werden zugleich zentrale Positionen einer theoretisch
orientierten Wissenschaftsgeschichte sowie der Soziologie des
wissenschaftlichen Wissens aus dem 20. Jahrhundert vorgestellt.
Da das Seminar vor allem methodisch ausgerichtet ist, eignet es sich
ebenso als Einstieg in eine vertiefte Beschäftigung mit der
Wissenschaftsgeschichte wie für Studierende aus anderen
Fächern, die wissenschaftshistorische Methoden kennen lernen
wollen.
Einführende
Literatur (in chronologischer Folge):
* Gaston Bachelard, Der neue wissenschaftliche Geist, Frankfurt 1988
(frz. Original Paris 1934)
* Ludwik Fleck, Die Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen
Tatsache, Frankfurt 1980 u.ö. (Original Basel 1935)
* Georges Canguilhem, Wissenschaftsgeschichte und Epistemologie.
Gesammelte Aufsätze, Frankfurt 1980
* Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der
Humanwissenschaften, Frankfurt 1974 (frz.: Les mots et les choses,
Paris 1966)
* David Bloor, Knowledge and Social Imagery, 2. Auflage, Chicago 1991
(1. Auflage 1976)
* Hans-Jörg Rheinberger, Experimentalsysteme und epistemische
Dinge. Eine Geschichte der Proteinsynthese im Reagenzglas, Frankfurt
2006
* Hans-Jörg Rheinberger, Historische Epistemologie zur
Einführung, Hamburg 2007 (zur ersten Orientierung gut
geeignet)
* Lorraine Daston/Peter Galison, Objektivität, Frankfurt 2007
Dr. Daliah Bawanypeck
Übung
Di 16:00-18:00, IG 4.401, ab 13.10.2015
Inhalt:
Assur war mehrere Jahrhunderte lang die Hauptstadt des assyrischen
Reiches und blieb darüber hinaus bis zur Zerstörung
im Jahre 614 v. Chr. das religiöse Zentrum für die
Verehrung des Reichsgottes Assur.
Die Tontafelbibliotheken der assyrischen Metropole enthalten
keilschriftliche Sammlungen aus der mittel- und neuassyrischen Zeit,
die Zugang zu den Wissensgebieten der gelehrten Experten
ermöglichen. Von besonderer Bedeutung sind die Texte aus der
Bibliothek des „Beschwörungspriesters“
Kiṣir-Aššur. Sie verdeutlichen nicht nur, mit
welchen Aufgaben die Ritualexperten befasst waren, sondern geben auch
Aufschluss über die Laufbahnen einiger neuassyrischer
Schreiber.
Ziel der Übung ist es, anhand von Texten aus Assur einen
Einblick in die Arbeit der assyrischen Gelehrten und ihr kulturelles
und soziales Umfeld zu erhalten.
Literatur:
* Olof Pedersen, Archives and Libraries in the City of Assur II.
Uppsala: Almqvist & Wiksell, 1986, S. 41-59
* Stefan M. Maul, „Die Tontafelbibliothek aus dem sogenannten
»Haus des Beschwörungspriesters«“, in:
S.M. Maul
– N.P. Heeßel (Hg.), Assur-Forschungen. Arbeiten
aus der
Forschungsstelle “Edition literarischer Keilschrifttexte aus
Assur” der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.
Wiesbaden:
Harrassowitz 2010, S. 189-228
Dr. Petra Schmidl
Übung
Di 10:00-12:00, IG 4.401, ab 13.10.2015
Inhalt:
Egal ob Krake Pauls Bewegungen etwas über Fußball,
eines Gänseblümchens
Blütenblätter etwas über die Liebe oder der
Lauf der Planeten etwas
über die kommende Woche sagen, die Deutung von Zeichen, um aus
ihnen
etwas über die Zukunft zu erfahren, fasziniert bis heute und
findet
sich in vielen verschiedenen Ausprägungen zu unterschiedlichen
Zeiten
und Orten. Natürliche und artifizielle, irdische und
himmlische
Zeichen, im Mittelalter wird (fast) alles, häufig unter
Zuhilfenahme
von komplizierten Techniken und ausgefeilten Verfahren, gedeutet.
Die Übung wird Beispiele divinatorischer Praktiken in
mittelalterlichen
arabischen und lateinischen Quellen in den Blick nehmen. Dabei werden
genauere Untersuchungen der in den verschiedenen Quellen beschriebenen
Techniken und Verfahren im Vordergrund stehen. Ergänzend
werden
grundlegende Vorstellungen und zeitgenössische Wertungen sowie
die
historische, politische, soziale und weitere Funktionen divinatorischer
Praktiken näher beleuchtet.
Literatur:
* Burnett, Charles: Magic and Divination in the Middle Ages (Variorum
Collected Studies Series. Aldershot 1996
* Fidora, Alexander (Hg.): Die mantischen Künste und die
Epistemologie
prognostischer Wissenschaften im Mittelalter: Unter redaktioneller
Mitarbeit von Katrin Bauer (Beiheft des Archivs für
Kulturgeschichte
74). Wien und Köln 2013
* Savage-Smith, Emilie (Hg.): Magic and Divination in Early Islam (The
Formation of the Classical Islamic World 42). Aldershot 2004
Dr. phil. Fabian Link, Laurens
Schlicht
M.A.
Übung
Mi 14:00-16:00, IG 251 (EG), ab 14.10.2015
Inhalt: Die
Geschichte der Ideengeschichte ist nicht zu denken ohne die durch
Bolschewismus, Nationalsozialismus und durch die zwei Weltkriege
bewirkten Brüche und Beschädigungen der Lebenswege
liberaler und jüdischer Intellektueller. Isaiah Berlin ist
einer davon. Berlin, in Riga geboren und jüdischer Herkunft,
hatte zwei „totalitäre“ Revolutionen
miterlebt: die bolschewistische und die nationalsozialistische, die
eine hautnah, die andere vom sicheren England aus. Nachdem seine
Familie 1919 nach England emigriert war, arbeitete Berlin ab 1940 in
den Vereinigten Staaten für die britische Regierung. Berlin
sah sich selbst in der Tradition der Aufklärer, für
den die Beteiligung seiner Person als Intellektueller in
öffentlichen und politischen Debatten
selbstverständlich war. Sein intellektueller Ansatz war der
Wertepluralismus einerseits, die Annahme, es gäbe bestimmte
universelle Werte, die für alle Menschen gelten
würden, andererseits. Die Übung wird der Frage auf
den Grund gehen, inwiefern die Entwicklung dieses
demokratisch-liberalen Denkansatzes mit dem persönlichen
Lebensweg Berlins verbunden war.
Die Übung vermittelt den Studierenden einen Einblick in
Schriften Isaiah Berlins, die von Sekundärliteratur zur
Geschichte der Ideengeschichte im Kalten Krieg grundiert werden. Der
Schwerpunkt wird auf der genauen Lektüre der Quellen liegen.
Die Aufgaben während des Semesters umfassen die
mündliche Beteiligung an den Diskussionen, eine Quellenkritik,
eine Kurzpräsentation und einen Essay gegen Ende des
Semesters.
Einführende
Literatur:
* George Crowder, Isaiah Berlin: Liberty and Pluralism. Cambridge 2004
* Dubnov, Arie M.: Isaiah Berlin: The Journey of a Jewish Liberal. New
York u.a. 2012
* Ignatieff, Michael: Isaiah Berlin: Ein Leben. München 2000
* Müller, Tim B.: Krieger und Gelehrte. Herbert Marcuse und
die Denksysteme im Kalten Krieg. Hamburg 2010
Dr. phil. Fabian Link
Proseminar
Do, 14:00 - 17:00, Seminarhaus SH 4.104, ab 22.10.2015
Inhalt: Lange Zeit galten in der Geschichtswissenschaft faschistische und nationalsozialistische Kultur und Kulturerzeugnisse als Ausdruck einer barbarischen „Unkultur“. In ähnlicher Weise wurden auch die Geistes- und Naturwissenschaften unter den faschistischen Regimen behandelt: Wissenschaftliches Wissen, das im NS-Regime und im faschistischen Italien entstanden war, galt nicht nur als ethisch verwerflich, sondern als wissenschaftlich unbrauchbar. Jüngere Forschungen haben gezeigt, dass beide Regime, Mussolinis Italien und Hitlerdeutschland, ausgreifende Kulturkonzepte und Kultureinrichtungen ins Leben riefen, die Italien wie Deutschland Glanz und Glorie bescheren, die Deutschen und Italiener zu „neuen Menschen“ machen sollten. Hierzu gehörten Unterhaltungseinrichtungen wie Kino, Radio, Theater, Freilichtspiele, Feiern aller Art und Aufmärsche, Bauprogramme und die Umgestaltung ganzer Landschaften, der Bau von Kunsthäusern und Museen, Tourismus und Freizeitgestaltung oder die Gestaltung einer neureligiösen Kultur. Die Wissenschaftsgeschichte hat parallel dazu unlängst dargelegt, dass die Wissenschaften im NS-Regime keineswegs einen Niedergang erlitten. Im Gegenteil: wissenschaftliche Institutionen wurden neu gegründet und anwendungsorientierte Wissenschaften oftmals stark gefördert. Das faschistische und nationalsozialistische Kultur- und Wissenschaftsverständnis gehörte zur radikalen „faschistischen Moderne“, die in der heutigen Forschungsliteratur als Alternative zu sozialistischen und liberalen Staatsentwürfen angesehen wird. Diese faschistische Moderne war inhärent verbunden mit Imperialismus, Krieg und Massenvernichtungspraktiken. Das Proseminar wird dieser Spannung zwischen modernen Kultur- und Wissenschaftskonzepten und faschistischer Barbarei auf den Grund gehen.
Vorausgesetzt wird die mündliche Teilnahme an den Sitzungsdiskussionen. Verlangt wird zudem das Erstellen eines Essays während des Semesters und einer Hausarbeit in den Semesterferien.
Literatur:
* Roger Griffin, Modernism and Fascism: The Sense of a Beginning under
Mussolini and Hitler. Basingstoke 2007
* George L. Mosse, Nazi Culture: Intellectual, Cultural and Social Life
in the Third Reich. Madison, Wisconsin 2003
* Anson Rabinbach/Wolfgang Bialas, Nazi Germany and the Humanities.
Oxford 2007
Prof. Dr. Moritz Epple, Prof. Annette Warner
Kolloquium
Di 18:00 - 20:00, Raum IG 1.414 oder IG 4.401, ab 20.10.2015
Inhalt: Es werden zum Einen laufende Examens- und Doktorarbeiten vorgestellt, zum Anderen neuere wissenschaftshistorische Publikationen gemeinsam diskutiert. Teilnehmerinnen und Teilnehmer (auch aus angrenzenden Gebieten) sind nach Rücksprache mit dem Veranstalter herzlich willkommen.
Zu den Vortragsveranstaltungen mit auswärtigen Gästen sind alle Interessierten herzlich eingeladen. Das laufende Programm des Kolloquiums finden Sie im Internet unter www.uni-frankfurt.de/fb08/HS/wg/ über den entsprechenden Link unter "Aktuelles".