Felix
Hausdorff (1868-1942)
zählt zu den bedeutendsten Mathematikern der ersten Hälfte
des 20.
Jahrhunderts. Er leistete grundlegende Beiträge zur Topologie,
Mengenlehre, Maßtheorie, Funktionalanalysis, Theorie der Lie-
Algebren und Wahrscheinlichkeitstheorie. Daneben
veröffentlichte er als stark von Nietzsche geprägter,
gleichwohl origineller
philosophischer Denker unter dem Pseudonym Paul
Mongré einen Aphorismenband und ein erkenntniskritisches Buch.
Sein literarisches Werk (ein Gedichtband, ein in seiner Zeit viel
gespieltes Theaterstück, eine
Reihe Essays in führenden literarischen Zeitschriften) stellt
einen
bemerkenswerten Beitrag zur Literatur an der Wende vom 19. zum 20.
Jahrhundert dar. In dieser Vielfalt gehört Hausdorff zu den
entschiedensten Vertretern sowohl der kulturellen als auch der
mathematischen Moderne.
Als
Jude von den Nationalsozialisten verfolgt, nahm er sich am 26. Januar
1942 gemeinsam mit seiner Frau das Leben, als die Einweisung in ein
Konzentrationslager drohte.
Sein handschriftlicher wissenschaftlicher
Nachlass (der in der Universitätsbibliothek
Bonn aufbewahrt wird und durch ein detailliertes Findbuch bereits
erschlossen ist) besteht aus über 25.000 Blatt und ist ein
einmaliges
Zeugnis
der Entwicklung wichtiger Teilgebiete der modernen Mathematik sowie von
Hausdorffs eigener intellektueller Entwicklung.
Die Hausdorff-Edition hat unter der Gesamtleitung von E. Brieskorn, F. Hirzebruch, W. Purkert (alle Bonn), R. Remmert (Münster) und E. Scholz (Wuppertal) eine kommentierte und um Nachlassmaterial ergänzte Ausgabe der Gesammelten Werke Felix Hausdorffs erarbeitet. In ihrem interdisziplinären Herausgebergremium arbeiteten über 20 Mathematiker, Historiker, Philosophen und Literaturwissenschaftler zusammen. Die Edition wurde als Langzeitprojekt von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften getragen.
in Kooperation mit den Editoren der Gesammelten Werke Felix Hausdorffs
und dem Bonner Editionsbüro
Felix Hausdorff, Gesammelte Werke,
Heidelberg u.a.: Springer Verlag, 2001 ff.
Alle Bände der Edition sind inzwischen erschienen.
Das Vorhaben hatte
die Herausgabe von Band VI
(Geometrie, Raum und Zeit) der Gesammelten
Werke Felix Hausdorffs
zum Ziel. Der Band enthält
die zwischen Philosophie und Mathematik liegenden Schriften Hausdorffs
zu den Themen der Grundlagen der Geometrie sowie zu den Begriffen von
Raum und Zeit. Sie sind durch umfangreiches Material aus dem
Nachlass (u.a. eine im Wintersemester 1903/1904 an der
Universität
Leipzig gehaltene Vorlesung über "Zeit und Raum") ergänzt.
Diese Texte stammen vorwiegend aus den Jahren zwischen 1897 und 1905
und dokumentieren in eindringlicher Weise den radikalen, nicht zuletzt
durch mathematische Entwicklungen eingetretenen Umbruch der Raum- und
Zeitvorstellungen, der gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Gange war.
Hausdorffs dezidiert metaphysikkritische und mathematisch reflektierte
Stellungnahmen bezogen sich auf nahezu das gesamte, sehr breite und
historisch bislang nur partiell aufgearbeitete Spektrum der in diesem
Umbruch vertretenen Positionen. Zugleich nahmen sie philosophische
Motive vorweg, die erst einige Jahrzehnte später (etwa im Umfeld
des "Wiener Kreises") breiter diskutiert wurden. Die Kommentierung des
Bandes leistet daher auch eine Beitrag zur wissenschaftshistorischen
Erschließung der betreffenden Debattem.
Die umfangreiche historische Einleitung zu Band VI der Hausdorff-Edition ist in open access zugänglich:
Moritz Epple, Felix Hausdorffs Erkenntniskritik von Zeit und Raum