DFG-Projekt: Indologie im nationalsozialistischen Deutschland


Projektmitarbeiter

Dr. Baijayanti Roy, Prof. Dr. Moritz Epple


Kurzbeschreibung

Anliegen des Vorhabens ist eine detaillierte Studie der Interaktionen der Indologie mit den politischen Institutionen im nationalsozialistischen Deutschland. Das Projekt beabsichtigt eine Untersuchung der Weisen, in denen Gelehrte und Institutionen dieses Feldes ihr Wissen über Indien in den Dienst der Kulturpolitik des NS-Staates stellten, im Austausch für Ressourcen und akademischen Status. Angesichts der Rolle “arischer” Kultur für den Nationalsozialismus ist eine solche Studie von signifikantem historischen Interesse. Das Vorhaben konzentriert sich auf vier Institutionen: (1) den Indischen Ausschuss bzw. das Indien-Institut (Teil der Deutschen Akademie), (2) das Deutsche Auslandswissenschaftliche Institut (DAWI) und die Auslandswissenschaftliche Fakultät (AF), beide an der Universität Berlin, (3) das Sonderreferat Indien (SRI), insbesondere ihren militärischen Teil, die Indische Legion, und (4) die Arbeitsgemeinschaft Indien an der Universität Tübingen.

In Anschluss an die Zugänge von Mehrtens, Ash und anderen wird das Vorhaben die Formen untersuchen, in denen Gelehrte dieser vier Institutionen kollaborative Beziehungen mit verschiedenen Machtzentren des “Dritten Reiches” entwickelten. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, in welchem Maß die Gelehrten sich selbst mobilisierten, um zur Wissenschaftspolitik des NS-Staates beizutragen.

Wichtige Machtzentren, die mit Indologen und den genannten Instituten in Beziehung standen, waren das Reichssicherheitshauptamt und das “Ahnenerbe” der SS, das Außenministerium und das Amt Rosenberg. Das Vorhaben wird auch den Austausch verschiedener Arten von Kapital und Ressourcen zwischen den akademischen und nichtakademischen Funktionsträgern untersuchen, den “Managern”, welche die Interessen des Staates in den genannten Institutionen repräsentierten und als ‘kommunikative Brücken’ in den komplexen Netzwerken zwischen den Instituten und den staatlichen Machtzentren fungierten.

Ein weiteres Anliegen des Projekts ist eine Bewertung der Rolle Indiens als ideologischem Kampfplatz zwischen dem britischen Imperialismus und den expansionistischen Ambitionen des NS-Staates. Dieser bot der antikolonialen Bewegung Indiens propagandistische Unterstützung an, indem das sogenannte gemeinsame “arische Erbe” Indiens und Deutschlands betont wurde. Eine Untersuchung der maßgeblichen Rolle von Indologen in dieser Bemühung steht seit langem aus. - Indien erlebt gegenwärtig einen Wiederaufstieg des hinduistischen politischen Nationalismus, in dem die Bewunderung für den vedisch-arischen Diskurs und auch für gewisse Elemente der NS-Ideologie eine bedeutende Rolle spielt. Diese ist auch Resultat der historischen Verknüpfung von deutscher Indologie, nationalsozialistischer Kulturpolitik und indischem Nationalismus. Durch eine kritische Untersuchung dieser historischen Verknüpfung kann unser Vorhaben auch einen neuen Blick auf die Geschichte der transnationalen Beziehungen zwischen Deutschland und Indien werfen.

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zuletzt geändert am 5.11.2020, jd